Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum! Wer bezahlt die Folgeschäden im Sondereigentum?

Instandhaltung verschmutzte WohnungDie Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt der Gemeinschaft. Sie trägt die hierdurch entstehenden Kosten. Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum bringen häufig Nachteile für Sondereigentümer mit sich. Dies verdeutlichen folgende Fallbeispiele:

  1. Die Steigleitungen für Wasser im gesamten Gebäude müssen erneuert werden. Zu diesem Zweck sind in sämtlichen Badezimmern Fliesen aufzuschlagen. Passende Ersatzfliesen gibt es nicht. Die Badezimmer sind neu zu verfliesen. Der Sondereigentümer nimmt sich einen Tag unbezahlten Urlaub, um die Arbeiten in seiner Wohnung zu beaufsichtigen.
  2. Eine notwendige Erneuerung der Terrassen-Isolierung macht die Entfernung der Boden-Fliesen erforderlich. Da die Arbeiten sich hinziehen, ist die Terrasse des Eigentümers B für mehrere Wochen nicht nutzbar.
  3. Die Fenster werden ersetzt. Der Mieter des Eigentümers C hat das Wohnzimmer vor drei Jahren mit einer Mustertapete tapeziert. In einem Jahr wäre eine Neutapezierung notwendig. Durch die Arbeiten an den Fenstern werden die angrenzenden Bereiche derart beschädigt, dass ein Bestreichen keine zumutbare Schadensbeseitigung darstellt. Das Zimmer muss nach dem Austausch der Fenster neu tapeziert werden. Der Mieter verlangt von C die Renovierungskosten ersetzt und mindert die Miete für die Dauer der Handwerkerarbeiten.

 

Diese Fälle zeigen, dass durch Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum Substanzschäden am Sondereigentum und weitergehende Vermögensschäden der Sondereigentümer entstehen können.

Wer trägt die Kosten an entstehenden Schäden im Sondereigentum?

Die Instandsetzung des Sondereigentums obliegt grundsätzlich dem Sondereigentümer (14 Ziffer 1 WEG). Wollte man sich mit dieser Regel begnügen, fielen die oben genannten Folgekosten allein den betroffenen Sondereigentümern zur Last. Um dieses ungerechte Ergebnis zu vermeiden, heißt es in § 14 Ziffer 4 WEG, dass jeder Sondereigentümer verpflichtet ist,

„das Betreten und die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zu gestatten, soweit dies zur Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich ist; der hierdurch entstehende Schaden ist zu ersetzen.„

Die Folgekosten, welche dem Sondereigentümer durch die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums entstehen, trägt also die Gemeinschaft. Es handelt sich hierbei um Verwaltungskosten im Sinne des § 16 WEG. Auch der betr. Eigentümer trägt deshalb den auf ihn entfallenden Anteil gemäß dem für die Gemeinschaft gültigen Verteilungsschlüssel mit.

Probleme in der Praxis entstehen bei der Frage, in welchem Umfang dem Sondereigentümer Kosten zu ersetzen sind. Hierbei ist zwischen den Substanzschäden einerseits und übrigen Vermögensschäden andererseits zu unterscheiden:

Substanzschäden am Sondereigentum - den Abzug „Neu für Alt„ trägt der Sondereigentümer

Wie die Fallbeispiele zeigen, können die Schäden am Sondereigentum verursacht durch die Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums umfangreich sein. Im Fall 1 sind sämtliche Badezimmer neu zu verfliesen, im Fall 2 die Balkonfliesen zu ersetzen und im Fall 3 ganze Zimmer neu zu tapezieren. Diese Folgekosten können die Kosten der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums im Einzelfall erheblich ansteigen lassen. Der Eindruck aber, so mancher Eigentümer könne zum eigenen Vorteil auf Kosten der Gemeinschaft anlässlich der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums sein Sondereigentum preiswert renovieren, täuscht.
Der Sondereigentümer hat nur einen Anspruch, so gestellt zu werden, wie er ohne die Beschädigung seines Sondereigentums stehen würde. Vorteile, welche ihm durch die Schadensbeseitigung an seinem Sondereigentum entstehen, sind bei der Schadensberechnung auszugleichen. Der Sondereigentümer muss sich also den sogenannten Abzug „Neu für Alt„ gefallen lassen. Schwierigkeiten macht in der Regel die Bewertung solcher Vorteile. Für die Praxis empfiehlt sich folgende Vorgehensweise der Verwaltung:
Noch vor Durchführung der Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum ist festzustellen, mit welchen Folgeschäden am Sondereigentum zu rechnen ist.

  • sodann sollte (als Beweissicherung) eine Ortsbesichtigung durchgeführt werden, bei welcher das Alter und der Zustand der noch unbeschädigten Bestandteile protokolliert wird. Die Hinzuziehung des Beirats ist ratsam.
  • Anschließend sind die Beseitigungskosten der zu erwartenden Beschädigungen zu beziffern.
  • Nunmehr ist der Wert des Vorteils, welchen der Sondereigentümer durch die Erneuerung seines Sondereigentums erhalten wird, zu schätzen.
  • Die Beseitigungskosten abzüglich des Vorteilswerts ergeben den Betrag, der von der Gemeinschaft dem Sondereigentümer zu erstatten ist.

Für die Bewertung des Vorteils, den eine vorzeitige Renovierung oder eine Erneuerung des Sondereigentums für den Eigentümer mit sich bringt, gibt das Gesetz keine Regeln vor. Es bieten sich zwei Berechnungsmethoden an:

  1. Hat der Bestandteil des Sondereigentums, welcher beschädigt wird, eine überschaubare Nutzungsdauer, so liegt die Vorteilsbewertung durch eine Kostenabschreibung entsprechend der Nutzungsdauer nahe. Im Fall 3 ist die Tapete z.B.: drei Jahre alt. Die Lebensdauer ist mit vier Jahren angesetzt. Der Sondereigentümer hätte also einen Anspruch auf eine gleichwertige Tapete mit noch einem Jahr Lebensdauer. Da ein Schadensersatz in dieser Form nicht erbringbar ist, erhält er ¼ der Kosten für eine neue Tapete. ¾ der Kosten gehen als Vorteilsausgleichung zu seinen Lasten.
  2. Hat das Sondereigentum, welches beschädigt wird, eine sehr lange nicht überschaubare Nutzungsdauer, kann die Vorteilsbewertung nur unter Berücksichtigung der vor der Beschädigung noch vorhandenen Restqualität vorgenommen werden. Ursprünglich hochwertige Fliesen für Badezimmer oder Balkon entsprechen aufgrund einer gewissen Abnutzung und der zwischenzeitlich vorangeschrittenen Technik häufig aktuellen Fliesen mittlerer Preisklasse.

Die Bewertung von Bestandteilen des Sondereigentums birgt viel Zündstoff für Streit. Um dem entgegenzuwirken, sollten möglichst im Vorfeld Vereinbarungen über die Höhe der zu ersetzenden Kosten getroffen werden. Im Zweifel sind bei Bewertungsfragen Sachverständige hinzuzuziehen.
Als sehr praktikabel haben sich in der Praxis Vereinbarungen erwiesen, wonach sich die Gemeinschaft verpflichtet, einen bestimmten Sockelbetrag beispielsweise für Fliesen zu zahlen und es dem Sondereigentümer überlassen bleibt, sich gegen einen Aufpreis zu eigenen Lasten teurere Fliesen auszusuchen. Ob ein diesbezüglicher Mehrheitsbeschluss einer gerichtlichen Anfechtung standhält, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Weist ein Eigentümer nach, durch einen solchen Beschluss erhebliche Nachteile zu erleiden, dürfte das Gericht den Beschluss als nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechend aufheben. Ein nicht innerhalb der Monatsfrist angefochtener bestandskräftig gewordener Beschluss ist jedoch nicht nichtig.

Sonstige Vermögensschäden

Die Kostenerstattung gemäß § 14 Ziffer 4 WEG erstreckt sich auch auf die sonstigen Vermögensschäden, welche durch die Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum verursacht werden. Den Sondereigentümer trifft die Pflicht, solche Schäden möglichst gering zu halten. Im Streitfall muss der Eigentümer also beweisen, dass die Kosten nicht vermeidbar waren.
So könnte in Fall 1 der Eigentümer den Verdienstausfall ersetzt verlangen, wenn es ihm nicht möglich war, die Beaufsichtigung der Arbeiten in seiner Wohnung einer in seinem Vertrauen stehenden Person zu übertragen. Generell kann man nicht von ihm verlangen, mit dieser Aufgabe den Nachbarn zu betreuen (Henkel NiedenfürlSchulze, WEG, § 14 Rz. 10).

Nach Auffassung des BayObLG kann ein Schadensersatzanspruch auch dann entstehen, wenn der Eigengebrauch von Teilen der Wohnung (in Fall 2 der Terrasse) für nicht unerhebliche Zeit entzogen wird (BayObLG ‚WE 87,160). Es darf sich jedoch nicht nur um kurzfristige, durch zumutbare Umdispositionen auffangbare Gebrauchsbeeinträchtigungen handeln.

Zu ersetzen ist schließlich auch ein Mietzins-Ausfall durch berechtigte Mietminderung des Mieters oder gar notwendig entstandene Hotelkosten bei völliger Unbenutzbarkeit der Wohnung.

Ein Kommentar von S. Stein WRS-Verlag

Fallabgrenzung beachten! Die vorstehenden Ausführungen betreffen nur Schäden, welche durch die Instandsetzungsarbeiten am Gemeinschaftseigentum entstehen. Abzugrenzen hiervon sind Schäden, welche am Sondereigentum entstehen, weil das Gemeinschaftseigentum mangelhaft ist.

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